Erste Schotterpisten

Ich bin froh, dankbar und glücklich, in Schlegel unter der Autobahnbrücke Offroad-Fahren geübt zu haben. Aber immer nur bergauf und ab die gleiche Strecke zu fahren kann auch nicht ersetzen, was man hier erlebt. In Pucón wurden wir schon vorgewarnt, dass noch in Chile die erste unbefestigte Straße anfängt.

Als wir gegen viertel zwei vom Campingplatz aufbrechen, um uns die Versicherung für Argentinien zu besorgen, ahnen wir noch nichts vom Abenteuer. Wir fahren zum Versicherungsbüro. Es ist geschlossen. Seit 13.30 Uhr. Es ist gerade 13.37 Uhr. Und das Büro wird erst wieder 15.30 Uhr öffnen. Also beschließen wir, Mittag zu essen, Bilder zu machen und alles zu packen, um dann pünktlich wieder zurück zu sein.

Es ist fast 16 Uhr, als wir vor dem Büro halten. Da die Motorräder bepackt sind, muss einer draußen bleiben. Ich warte also, weil ich denke, dass sich Yaron doch besser mit allem auskennt. Nach 20 Minuten kommt er wieder, macht einen ruhigen, fast gefassten Eindruck. „Ich komme gerade an dem Büro an, da schleichen zwei so Franzosen rum und gehen rein bevor ich es schaffe. Die wollen eine Bootstour machen und ihr Auto mitnehmen, können sich aber nicht entscheiden. Ich glaube wir können erst mal tanken fahren und in zwei Stunden wiederkommen!“ Wir fahren also tanken und kommen zurück.

Es ist mittlerweile fast um fünf. Yaron geht wieder los. Ich stehe wie auch vor fast einer Stunde in der Sonne in meiner warmen Bekleidung da und bewache die Motorräder. Meine Füße fangen an weh zu tun. Ich denke nur „Jetzt kannst du auch cremen!“ Ich trete bald vom einen auf den anderen Fuß. Hinsetzen will ich mich nicht. Ich schaue immer wieder in Richtung Büro. Nach einer halben Stunde kommt Yaron wieder. Es läuft! Er braucht nur meinen Pass noch! Ich freue mich, dass es doch bald losgeht. Und Yaron verschwindet wieder. Ich stehe wieder in der Hitze. Dann kommt Yaron zurück. Das Geld reicht nicht und er muss wieder zur Tankstelle. Ich stehe also jetzt alleine da. Langsam schieben sich Wolken vor die Sonne und es wird gleich kühler. Und endlich tuckert auf der anderen Seite die eisbergblaue GS vorbei und hält schließlich neben mir.

„Jetzt, Geld auf den Tisch und weg“, denke ich mir. Yaron drückt mir eine Dose eisgekühlte Sprite in die Hand. Ich öffne sie und trinke wie der Mann einst in der Coca-Cola-Werbung. Als die Dose alle ist, schaue ich wieder zum Büro. Die Füße spüre ich kaum noch. Da kommt hinter mir ein kleiner Junge an und sitzt schon halb auf Yarons Motorrad. Die Mutter sagt nichts dazu und ich bringe nur ein „He!“ hervor. Der Junge lässt ab und die beiden verschwinden in einem Laden. Ui ui ui, das war knapp! Ich drehe mich wieder um, als ich plötzlich den Jungen wieder höre. Er sitzt schon halb auf dem Motorrad. „No es bien“ sage ich diesmal und schüttele den Kopf. Der Junge ist enttäuscht, schaut mich grinsend an, kippt den Kopf zur Seite, aber ich bleibe bei meiner Meinung. Besser ist besser. Ich schaue wieder auf das Büro.

Yaron kommt zurück und sagt mir, dass die Frau jetzt die falsche Fahrgestellnummer in meiner Versicherung eingetragen hat. Und dass er noch etwas Geld von mir braucht. Es solle nur noch zehn Minuten dauern. Ich überlege so langsam, ob wir nicht doch hier bleiben sollten. Irgendwann kommt Yaron dann doch endlich mit den Papieren an. Es ist etwa 18.30 Uhr, die Grenze schließt um acht und der Weg dauert mindestens eine Stunde. Ganz zu schweigen davon, dass die Sonne 20:30 Uhr untergeht und die Dämmerung nicht sehr lange dauert.

Wir sitzen auf und fahren los. Ich bin müde, aber irgendwie will ich weiter. Nochmal hier das Zelt aufschlagen ist keine Option. Und nach 60 Kilometern kommt dann tatsächlich die Schotterpiste ohne jede Vorwarnung. Ich bin erstaunt, wie gut es geht, fahre aber trotzdem sehr, sehr langsam. Die Steine schleudern immer wieder an mein Motorschutzblech. Die Steine sind auch nicht immer festgefahren und besonders die Kurven lassen sich anders fahren als auf Asphalt. Aber irgendwie schaffen wir es doch noch fünf vor acht an der chilenischen Grenze auszuchecken. Es geht alles ganz schnell und wir sind schon wenige Minuten später wieder draußen. Jetzt müssen uns die Argentinier nehmen. Die Strecke ist kurz aber auch Schotterpiste. Bei der Einreise sind die Argentinier auch total locker. Leider ist die Sonne jetzt wirklich hinter den Bergen veschwunden und wir müssen uns eine Stelle suchen, wo wir wild campen. Zwischen dem Vulkan Lanín und Wald, bei starkem Wind und seltsam röhrenden Kühen (oder doch ein Hirsch?) schlafen wir im Zelt ein.

Der nächste Tag lockt mit einer Kulisse aus schneebedecktem Vulkan und von der Sonne angestrahlten Bergen. Und auf uns warten noch mindestens 50 Kilometer Schotterpiste in allen Festigkeitsstufen. Nach Level 1 (Asphalt mit Wind) und Level 2 (Schotterpiste ohne Wind) kommt jetzt Level 3: Schotterpiste mit Wind.

Mittlerweise schaffe ich es übrigens auf Schotter schon meist auf 40-50 Stundenkilometer. Das macht bei 20 Kilometern Strecke nur fast eine Stunde Fahrtzeit (es geht ja nicht immer so schnell, manchmal muss man sogar anhalten, um andere durchzulassen). Dafür entschädigt die Aussicht.

¡Hola Patagonia!

LG, Madl

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